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Über dein Gesicht schleichen
die Dschungeln.
O, wie du bist!
Deine Tigeraugen sind süß
geworden
In der Sonne.
Ich trag dich immer herum
Zwischen meinen
Zähnen.
Du mein Indianerbuch,
Wild West,
Siouxhäuptling!
Im Zwielicht schmachte
ich
Gebunden am
Buxbaumstamm -
Ich kann nicht mehr sein
Ohne das Skalpspiel.
Rote Küsse malen deine Messer
Auf meine Brust -
Bis mein Haar an
deinem Gürtel flattert.
[Die Gedichte, Suhrkamp,
Frankfurt am Main 1997]
Δ
Ein
Lied der Liebe
Seit du nimt da bist,
Ist die Stadt dunkel.
Im sammle die Smatten
Der Palmen auf,
Darunter du wandeltest.
Immer muß ich eine Melodie summen,
Die hängt lächelnd an den
Ästen.
Du liebst mim wieder-
Wem soll ich mein Entzücken sagen?
Einer Waise oder einem Hochzeitler,
Der im Widerhall das Glück hört.
Ich weiß immer,
Wann du an mirch denkst-
Dann wird mein Herz ein Kind
Und schreit.
An jedem Tor del Straße
Verweile im und träume;
Ich helfe der Sonne deine Schönheit malen
An allen Wanden der Häuser.
Aber ich magere
An deinem Bilde.
Um schlanke Süulen schlinge
ich mich
Bis sie schwanken.
Überall steht Wildedel,
Die Blüten unseres Blutes.
Wir tauchen in heilige Moose,
Die aus der Wolle goldener Lämmer sind.
Wenn doch ein Tiger
Seinen Leib streckte
Über die Ferne, die uns trennt,
Wie zu einem nahen Stern.
Auf meinem Angesicht
Liegt früh dein Hauch.
[Die Gedichte, Suhrkamp,
Frankfurt am Main 1997]
Δ
Franz Marc
Der blaue Reiter ist gefallen, ein Großbiblischer, an dern
der Duft Edens hing. Über die Landsrchaft warf er einen
blauen Schatten. Er war der, welchee die Tiere
noch reden hörte; und er verklärte ihre unverstandenen Seelen.
Immer erinnerte mich der blaue Reiter aus dem Kriege
daran: es genügt nichtt alleine, zu den Mensrchen gütig
zu sein, und was du namentlich an den Pferden, da sie
unbeschreiblich auf dem Schlachtfeld leiden müssen, Gutes tust, tust du
mirr.
Er ist gefallen. Seinen Riesenkörper tragen
große Engel zu Gott, der hält seine blaue Seele, eine leuchtende
Fahne, in seiner Hand. Ich denke an eine Geschichte
im Talmud, die mir ein Priester erzählte: wie Gott mit den
Menschen vor dem zerstörten Tempel stand und weinte.
Denn wo der blaue Reiter ging, schenkte er Himmel. So
viele Vögel fliegen durch die Nacht, sie können
noch Wind und Atem spielen, aber wir wissen nichts mehr
hier unten davon, wir können uns nur noch zerhacken
oder gleichgültig aneinander vorbeigehen. In dieser Nüchternheit erhebt
sich drohend eine unermeßliche Blutmühle, und wir Völker alle werden bald zermahlen sein.
Schreiten immerfort über wartende Erde. Der blaue Reiter ist angelangt; er war
noch zu jung zu sterben.
Nie sah im irgendeinen Maler gotternster und sanfter
malen wie ihn. »Zitronenochsen« und »Feuerbüffel«
nannte er seine Tiere, und auf seiner Schläfe ging ein
Stern auf. Aber auch die Tiere der Wildnis begannen
pflanzlich zu werden in seiner tropischen Hand. Tigerinnen verzauberte er zu Anemonen, Leoparden legte er
das Geschmeide der Levkoje um; er
sprach vom reinen Totschlag, wenn auf seinem Bild
sich der Panther die Gazell vom Fels holte. Er fühlte wie der junge Erzvater
in der Bibelzeit, ein herrlicher Jakob er, der Fürst von
Kana. Um seine Schultern schlug er wild das
Dickicht; sein schönes Angesicht spiegelte er im Quell und sein
Wunderherz trug er oftmals in Fell gehüllt, wie ein
schlafendes Knäblein heim, über die Wiesen, wenn es
müde war.
Das war alles vor dem Krieg.
Franz Marc, der blaue Reiter vom Ried,
Stieg auf sein Kriegspferd.
Ritt über Benediktbeuern herab
nach Unterbayern,
Neben ihm sein besonnener, treuer Nubier
Hält ihm die Waffe.
Aber um seinen Hals trägt er mein silbergeprägtes Bild
Und den todverhütenden Stein seines teuren Weibes.
Durch die Straßen von
München hebt
er sein biblischesHaupt
Im hellen Rahmen des Himmels.
Trost im stillenden Mandelauge,
Donner sein Herz.
Hinter ihm und zur Seite viele, viele Soldaten.
[Die Gedichte, Suhrkamp,
Frankfurt am Main 1997]
Δ
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